1. Wie geht es den Jugendlichen in der Schweiz?
Die Zahlen sind alarmierend: Rund ein Drittel der Schweizer Jugendlichen berichtet von psychischen Problemen – vor allem Depressionen und Angststörungen sind weit verbreitet. Studien zeigen, dass seit der Covid-19-Pandemie psychische Probleme bei jungen Menschen deutlich zugenommen haben.
Die Zunahme psychischer Probleme bei Jugendlichen ist unter anderem auf Faktoren wie Leistungsdruck und Stress sowie den Einfluss von sozialen Medien zurückzuführen. Weitere Risikofaktoren sind schwierige Familienverhältnisse, ein tiefer sozioökonomischer Status, schlechte Kindheitserfahrungen oder chronische Erkrankungen.

Soziale Medien – ein zweischneidiges Schwert
Insbesondere die Rolle der sozialen Medien ist in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus von Fachpersonen gerückt. Soziale Medien können zwar eine Unterstützung für Jugendliche darstellen: Dort können sie sich vernetzen und austauschen. Es besteht aber auch die Gefahr für soziale Vergleiche mit Auswirkungen auf das eigene Körperbild, die Identität und den Selbstwert sowie für Cybermobbing. Studien zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Nutzung von sozialen Medien und Symptomen wie Angst, Essstörungen oder Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Zudem stellt die ständige Präsenz und Erreichbarkeit eine Herausforderung dar: Sie kann zu Schlafmangel führen und eine Abgrenzung zum Alltag schwierig machen.

Junge Frauen besonders betroffen
Am stärksten betroffen von psychischen Belastungen sind junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren: In dieser Altersgruppe berichtet jede vierte Frau von mittel- bis schweren Angstsymptomen, während ungefähr 30 Prozent unter mittel- bis schweren Depressionssymptomen leiden. 29 Prozent weisen Anzeichen einer sozialen Phobie auf. Neben den oben erwähnten Faktoren können auch soziale Geschlechternormen dazu beitragen, dass sich junge Frauen stärker unter Druck gesetzt fühlen als junge Männer. Geschlechternormen bewirken beispielsweise, dass Mädchen von klein auf lernen, fürsorglich, freundlich und rücksichtsvoll zu sein – während Jungen vorgelebt bekommen, dass sie stark und laut sein dürfen. Auch Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern spielen eine wichtige Rolle im Umgang mit psychischen Belastungen: In Ländern mit grossen geschlechtsspezifischen Ungleichheiten sind junge Frauen zum Beispiel unzufriedener mit dem eigenen Körperbild als anderswo.
Männer weniger bereit, Hilfe zu holen
Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich auch in der Bereitschaft, über psychische Probleme zu sprechen: 85 Prozent der jungen Frauen sagen aus, sich bei psychischen Belastungen Hilfe zu holen, indem sie mit Menschen aus ihrem sozialen Umfeld über Probleme sprechen, sich online oder mit Fachliteratur informieren, telefonisch beraten oder behandeln lassen. Bei jungen Männern sind nur 69 Prozent bereit, über ihre Probleme zu sprechen oder sich Unterstützung zu holen. Dies unter anderem, weil sie Angst haben, von ihrem Umfeld stigmatisiert zu werden. Ein weiterer Grund ist, dass Männer eher abwarten, bis das Problem von selbst verschwindet.
Schwierige Versorgungslage
Die Zahlen zeigen einen grossen Bedarf an psychischer Unterstützung. Insbesondere bei Jugendlichen ist es zentral, dass sie rasch Hilfe erhalten, damit sich die psychische Belastung nicht ins Erwachsenenalter hineinzieht. Doch die Wartezeiten für ambulante und stationäre Therapieplätze in der Schweiz dauern oft mehrere Monate – es geht wertvolle Zeit verloren. Rund 375 000 Personen in der Schweiz nehmen gemäss aktuellen Schätzungen bei psychischen Problemen keine Hilfe in Anspruch1.
Jüngere Menschen leiden vermehrt unter Einsamkeit
Die Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022 hat ergeben, dass immer mehr Menschen in der Schweiz unter Einsamkeit leiden. Dieser Anstieg betrifft vor allem Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 24 Jahren (von 4 Prozent im Jahr 2017 auf 10 Prozent in 2022) und ist unter anderem auf die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Massnahmen zur Pandemiebekämpfung zurückzuführen. Einsamkeit hat einen grossen Einfluss auf die psychische Gesundheit: Wenn sich Menschen über längere Zeit einsam fühlen, steigt ihr Risiko für Krankheiten wie Depressionen, Angst- oder Schlafstörungen.

1Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ. Positionspapier «Nachhaltige Förderung der psychischen Gesundheit im Kindes- und Jugendalter», 2024.