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Monoklonale Antikörper

Die Technik zur Herstellung von monoklonalen Antikörpern gehört zu den wichtigsten Entdeckungen der Biotechnologie. Etliche Menschen verdanken ihr Leben den monoklonalen Antikörpern, die gegen verschiedene Krebsarten eingesetzt werden.

Sind Sie scharf auf einen Nobelpreis? Sie hätten einen erhalten, wenn Sie erkannt hätten, wie man die immergleichen Antikörper herstellen kann. Klingt allerdings simpler als es ist.

1. Mit Antikörpern gegen Krebs vorgehen

Im Mai 1975 reichten zwei bis dahin wenig bekannte Forscher namens Georges Köhler und Cesar Milstein beim Wissenschaftsmagazin «Nature» einen Bericht ein, den das Blatt wenig später veröffentlichte. Die Forscher beschrieben darin die Herstellung von monoklonalen Antikörpern. Im Schlusssatz schrieben die beiden Wissenschaftler, dass ihre neuartigen Zellkulturen «nützlich für den medizinischen und industriellen Gebrauch sein könnten». Es war, wie sich später herausstellte, eine herbe Untertreibung. Heute verdanken etliche Menschen ihr Leben den monoklonalen Antikörpern. Die Technik zur Herstellung dieser Antikörper gehört zu den wichtigsten Entdeckungen der Biotechnologie der letzten 40 Jahre. Monoklonale Antikörper werden zur Behandlung vieler Krebsformen eingesetzt, aber auch bei Autoimmunerkrankungen wie Arthritis oder Psoriasis sowie gegen Abstossungsreaktionen bei Transplantationen. Solche Antikörper wirken, indem sie sich sehr spezifisch an bestimmte Moleküle anlagern und diese blockieren. Ihr Vorteil ist, dass sie alle genau gleich sind und daher immer dasselbe Molekül blockieren. Georges Köhler, der lange Jahre am Basler Institut für Immunologie geforscht hat, erhielt 1984 zusammen mit Cesar Milstein für die Entwicklung von monoklonalen Antikörpern den Nobelpreis.

Kalotten-Darstellung eines Antikörpers. Die Atome der zwei leichten und zwei schweren Ketten sind unterschiedlich eingefärbt. Die kleinen Fragmente (grau) im unteren Bereich sind Kohlehydrate, die an hydrophobe Bereiche der schweren Ketten gebunden sind.
© Interpharma

Antikörper sind Proteine mit der Form eines Y und bilden einen wichtigen Bestandteil des Immunsystems. Sie werden von B-Zellen (weissen Blutkörperchen) hergestellt. Der Körper produziert sie als Antwort auf eindringende Bakterien, Viren oder andere Parasiten, um diese zu markieren und zu zerstören. Sie bestehen aus zwei schweren und zwei leichten Aminosäureketten, die miteinander verknüpft sind. Um monoklonale Antikörper zu produzieren, verschmolz Köhler gesunde B-Zellen mit bestimmten Krebszellen. Die derart kombinierten hybriden Zellen produzieren nicht nur Antikörper wie die B-Zellen, sondern vermehren sich auch, wie Krebszellen, theoretisch grenzenlos. Alle Tochterzellen sind mit der Mutterzelle absolut identisch (monoklonal im Gegensatz zu polyklonal). Es entsteht eine «Fabrik» für immer denselben Antikörper. Die monoklonalen Antikörper haben alle die gleiche gewünschte Wirkung: Sie können, Detektiven gleich, unerwünschte Krebszellen, Viren oder andere Substanzen erkennen.

Im Detail funktioniert der Mechanismus zur Herstellung von monoklonalen Antikörpern folgendermassen (Grafik 6.1): Eine Maus wird immunisiert mit einem bestimmten Antigen, das heisst, das Antigen wird der Maus geimpft. Ein Antigen ist ganz allgemein eine Substanz, welche im Körper als fremd erkannt wird und eine Immunreaktion auslösen kann (z. B. die Produktion von Antikörpern). Krebszellen, aber auch Blütenpollen oder Bakterien und Viren können solche Reaktionen auslösen. Antigen und Antikörper wirken nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip.

Grafik 6.1 Gewinnung von monoklonalen Antikörpern
© Interpharma

Nach der Immunisierung produziert das Immunsystem der Maus B-Zellen, die Antikörper gegen das Antigen herstellen. Getrennt davon werden krebserregende B-Zellen produziert, die keine Antikörper mehr herstellen können. Dann werden die B-Zellen der Maus mit den krebserregenden B-Zellen fusioniert und die erfolgreich fusionierten Zellen von den anderen getrennt. Die resultierenden Hybridzellen heissen Hybridoma: Sie wachsen theoretisch grenzenlos und produzieren den gewünschten Antikörper (Grafik 6.2).

Grafik 6.2 Wie Hybridomazellen für monoklonale Antikörper gewonnen werden
© Interpharma

Mit Hilfe von Hybridomas können Forschende Antikörper in der gewünschten Menge gegen fast jedes erdenkliche Molekül produzieren: Hormone, bakterielle Antigene, Rezeptoren usw. Die Vorteile monoklonaler Antikörper kommen besonders bei der Behandlung von Krebs zum Vorschein. Das Ziel jeder Krebstherapie besteht darin, möglichst alle von Krebs befallenen Zellen abzutöten, gleichzeitig aber möglichst  wenige Nebenwirkungen hervorzurufen. Diese beiden Anforderungen können monoklonale Antikörper in geradezu idealer Weise erfüllen – besser als die herkömmlichen Methoden Bestrahlung, Chemotherapie oder Chirurgie. Findet sich auf den Zellen eines Tumors etwa ein besonderes Erkennungsmerkmal, kann man gegen genau dieses Merkmal monoklonale Antikörper entwickeln. Idealerweise erkennen dann die Antikörper die Krebszellen und geben das Signal zur Zerstörung. Da die Antikörper spezifisch nur das Merkmal der Krebszelle erkennen, sollten andere Zellen kaum in Mitleidenschaft gezogen werden. Antikörper können also beinahe nebenwirkungsfrei kleinste, nicht sichtbare Tumorzellansammlungen im Körper erreichen und zerstören.

Die Herstellung von monoklonalen Antikörpern ist aufwändig.
© Interpharma