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Gendermedizin: Warum die Frage nach dem Geschlecht wichtig ist

Die Unterscheidung zwischen Mann und Frau wurde in der Medizin lange vernachlässigt – oft zum Nachteil der Frauen. Doch nun gewinnt die geschlechtsspezifische Medizin an Bedeutung. Sowohl in der Lehre und Forschung, in der Politik als auch in der Industrie.

3. Warum werden geschlechterspezifische Unterschiede in Forschung und Praxis zu wenig berücksichtigt?

In der Annahme, dass die biologischen Prozesse im Körper von Mann und Frau gleich sind, wurden Medikamente bis in die 1990er-Jahre fast nur an Männern getestet. Auch heute noch werden Studien mehrheitlich an Männern durchgeführt, trotz nachweisbarer Unterschiede bei der Wirkung von Medikamenten.Frauen werden in der klinischen Forschung tendenziell weniger berücksichtigt. Auch in der Grundlagenforschung wird primär das männliche Geschlecht erforscht: Bis zu 90 Prozent der Experimente werden mit männlichen Tieren oder Zellen durchgeführt.

Warum wurden und werden Frauen in der Forschung und Entwicklung weniger berücksichtigt? Ein Grund ist der weibliche Zyklus und die Menopause. Fachleute gingen früher davon aus, dass die Ergebnisse von Medikamententests durch die hormonellen Schwankungen beeinflusst werden und der Frauenkörper deshalb aufwändiger und komplizierter zu erforschen ist. Männer hingegen weisen weniger hormonelle Schwankungen auf, weswegen deren Testresultate einfacher vergleichbar sind. Der «Contergan-Skandal» ist ein weiterer Grund, dass Männer bei klinischen Tests bevorzugt werden. Anfang der 1960er-Jahre kamen vor allem in Deutschland plötzlich viele Säuglinge auf die Welt, denen Arme oder Beine fehlten. Es stellte sich heraus, dass das Beruhigungsmittel Contergan die Fehlbildungen verursachte. Das Medikament wurde unter anderem auch gegen Schwangerschaftsübelkeit empfohlen und galt als sicher. Im Nachhinein stellte sich jedoch heraus, dass nur eine Tablette genügte, um die Entwicklung des Embryos massiv zu schädigen. Nach diesem Skandal wurden Frauen in gebärfähigem Alter lange von klinischen Studien ausgeschlossen.