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Das Dilemma mit den Tierversuchen

Wo immer möglich, müssen heute tierversuchsfreie Methoden angewandt werden. Um die Sicherheit von Lebensmitteln und Medikamenten zu gewährleisten, kann jedoch nicht vollständig auf Tierversuche verzichtet werden.

Eigentlich sind alle Menschen gegen Tierversuche. Aber ebenso möchten alle Menschen, wenn sie krank sind, die besten und sichersten Medikamente und Therapien erhalten. Ohne Tierversuche geht das nicht. Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?

5. Replace: Einen Tierversuch durch eine andere Methode ersetzen

Das Gebot Replace (Ersetzen) verlangt von den Forschenden und den Bewilligungsbehörden Überlegungen zum Sinn eines Versuchs. Die Forscherinnen und Forscher müssen sich vorgängig überlegen, ob ein Versuch wirklich nötig ist oder ob er nicht durch eine andere Methode ersetzt werden kann. Eine Methode, die ohne Tiere auskommt. Das ist allerdings keine einfache Aufgabe, denn die Praxis hat gezeigt, dass eine einzige 3R-Methode selten direkt einen Tierversuch ersetzen kann. Aber eine oder mehrere 3R-Methoden in Kombination ergeben vielleicht bereits genügend Informationen, damit ein Tierversuch nicht mehr nötig ist.

Gewebezellen (Blutzellen, Muskelzellen, Hautzellen usw.) haben hier gute Dienste geleistet. So ist es heute möglich, mithilfe von Zellen eine Art künstliche Haut nachzubauen. An dieser künstlichen Haut kann dann die Wirkung von möglicherweise giftigen Substanzen beurteilt werden. Dies ist zum Beispiel für die Kosmetikindustrie interessant. Sie kann mit diesen Zellsystemen testen, ob ein Produkt die Haut reizt – ohne Tierversuche durchführen zu müssen, denn Tierversuche für Kosmetika sind sowohl in der EU wie auch in der Schweiz seit 2013 verboten (mit wenigen Ausnahmen).

Aber Versuche mit Gewebezellen haben ihre Grenzen. Zellen sind immer nur ein Teil des Ganzen und entsprechend können sie auch nur begrenzte Resultate liefern. Es können keine komplexen Phänomene des intakten Körpers untersucht werden. Oder um es sehr plakativ auszudrücken: Einzelne Zellen haben keine Ängste und keinen Durchfall. Solche Phänomene können in ihrer ganzen Bandbreite oft nur am lebenden Organismus untersucht werden.

Beispiel Replace

Blutzellen retten 500 000 Kaninchen pro Jahr

Der 21. März 2006 war ein wichtiger Tag für viele Versuchskaninchen: Ein wissenschaftliches Komitee der EU empfahl fünf Ersatzmethoden für den Pyrogentest. Der Pyrogentest ist ein Test zur Qualitätskontrolle, um Verunreinigungen in medizinischen Produkten zu erkennen. Neu kann der Test nun mit Zellen durchgeführt werden. Es müssen nicht mehr Kaninchen verwendet werden. Nach Schätzungen von Experten retten diese neuen Methoden jährlich das Leben von 200 000 Kaninchen in der EU oder von einer halben Million Kaninchen weltweit.

Pyrogene sind Substanzen, welche beim Menschen Fieber oder lebensbedrohliche Schockzustände auslösen können. Bevor Medikamente auf den Markt kommen, müssen sie daher auf diese unerwünschten Substanzen getestet werden. Während mehr als 50 Jahren wurde mit Hilfe von Kaninchen nach Pyrogenen gefahndet: Dabei wurde die Substanz, welche man testen wollte, dem Kaninchen injiziert und danach die Körpertemperatur überwacht. Eine Erhöhung der Temperatur liess auf Pyrogene schliessen.

Die im Jahre 2006 empfohlenen fünf Ersatzmethoden können die Versuche an Kaninchen vollständig ersetzen. Sie haben verschiedene Vorteile: Sie sind weniger zeitaufwändig, kostengünstiger und empfindlicher. Alle Testsysteme basieren auf Blutzellen des Menschen.