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Biopharmazeutika herstellen

Um Biopharmazeutika herzustellen, braucht es nicht nur Bioreaktoren und Fermenter, sondern auch Forscherinnen und Forscher, die an den richtigen Einstellungen tüfteln. Jede noch so kleine Veränderung hat einen Einfluss auf das am Ende hergestellte Biopharmazeutikum.

Ob man für vier Leute kocht oder für vier Millionen, ist ein gewaltiger Unterschied. Genauso geht es Forscherinnen und Forschern, die ein Medikament in Form eines Proteins im grossen Stil herstellen möchten.

1. Mit der grossen Kelle anrühren

Dieses Kapitel befasst sich mit den Problemen, mit denen Forschende konfrontiert sind, wenn sie Biopharmazeutika im grossen Stil für den Markt herstellen wollen. Biopharmazeutika sind Arzneimittel, welche mit Hilfe von Biotechnologie hergestellt werden. Es sind entweder Proteine, DNA oder RNA. Die erste solche Substanz wurde 1982 zugelassen: rekombinantes menschliches Insulin. Heute werden immer mehr Medikamente biotechnisch hergestellt.

Möchten wir Biopharmazeutika vielen tausend Patienten zur Verfügung stellen, dann benötigen wir grosse Mengen davon. Kommt ein neues Biopharmazeutika auf den Markt, dann muss meist speziell für dessen Produktion eine Grossanlage mit riesigen Stahltanks (Fermentern) gebaut werden. In diesen Fermentern werden die Zellen gezüchtet, die den Wirkstoff herstellen. Der Unterschied vom Labor zur Grossanlage ist vergleichbar mit Jamie Oliver, der für 4 Leute kocht – oder für 4’000’000.

Das folgende Kapitel baut auf das Wissen aus dem Kapitel zum Klonieren auf: Dort haben wir das Insulin-Gen mit Hilfe von Escherichia coli-Bakterien kloniert. Nun möchten wir das Insulin grosstechnisch herstellen. Dazu müssen wir zunächst einiges über Proteine wissen: Proteine sind komplex im Aufbau und schwierig herzustellen. Proteine sind relativ gross, da sie aus bis zu mehreren hundert Aminosäuren bestehen können. Sie sind empfindlich und reagieren sensibel auf äussere Veränderungen in Temperatur, Salzkonzentration oder pH. Um auf Touren zu kommen, benötigen Proteine die gleichen Bedingungen, die sie in ihrer natürlichen Umgebung im Körper vorfinden, also zum Beispiel eine Temperatur von etwa 36 Grad. Ist die Temperatur zu hoch, verlieren die Proteine ihre dreidimensionale Struktur und können nicht mehr arbeiten.


Wie entfalten Proteine ihre Wirkung?

Viele Proteine, die als Medikamente eingesetzt werden, heften sich per Schlüssel- Schloss-Prinzip an einen Rezeptor der Zelle. Denn Proteine können im Allgemeinen die Zellwand nicht durchqueren, um ins Innere der Zelle zu gelangen, dafür sind sie zu gross. Deshalb müssen sie ihre Wirkung auf die Zelle von aussen über die Rezeptoren entfalten. Rezeptoren sind ebenfalls Proteine, welche an der Aussenhülle von Zellen angebracht sind und wie Antennen wirken: Sie empfangen Signale von aussen und können eine Antwort im Inneren der Zelle auslösen. Das Schlüssel-Schloss-Prinzip bedeutet, dass ein Protein sehr spezifisch nur einen bestimmten Rezeptor binden kann. Dieses Prinzip wirkt derart spezifisch, dass eine falsche Aminosäure das Protein als Wirkstoff inaktiv machen kann.

Warum können Proteine nicht einfach im Reagenzglas nachgebaut werden?

Am einfachsten wäre es doch, man könnte Proteine im Reagenzglas nachbauen, so wie man zum Beispiel DNA-Stücke nachbauen kann. Das ist bis heute aber nicht möglich. Das Problem liegt in der Struktur der Proteine: Proteine können nur effizient arbeiten, wenn sie die richtige dreidimensionale Struktur einnehmen – ein Prozess, der als Faltung bezeichnet wird. Im lebenden Organismus sorgen verschiedene Enzyme dafür, dass dieser Prozess über mehrere Schritte korrekt abläuft. Die Proteinfaltung ist derart komplex, dass es Forschende bis heute nicht geschafft haben, die Natur nachzuahmen und die Faltung im Reagenzglas zu wiederholen. Deshalb müssen Forscherinnen und Forscher noch immer auf Labortiere, Mikroorganismen oder spezielle tierische oder pflanzliche Zellen zurückgreifen.