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mRNA-Impfungen: Durchbruch einer lang erforschten Technologie

Lange Zeit fristete die praktische Anwendung von mRNA in der Forschungswelt ein Schattendasein. Obwohl bereits seit 30 Jahren daran gearbeitet wird, schaffte die Technik erst mit der Markteinführung der mRNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus den Durchbruch. Und das Potenzial dieser Technologie ist noch lange nicht ausgeschöpft.

5. Die mRNA-Technik kann noch viel mehr

mRNA-Moleküle sind zu instabil und zerfallen zu schnell, insbesondere wenn diese im Labor hergestellt werden – so die weit verbreitete Meinung in Fachkreisen, warum das Potenzial der mRNA-Technik lange Zeit verkannt wurde. Hartnäckige Forschungsteam blieben trotzdem dran, in der Hoffnung, mit der mRNA-Technik Zellen darauf programmieren zu können, heilsame Proteine gegen verschiedene Krankheiten herzustellen.

Dank der erfolgreichen mRNA-Impfung haben nun auch weitere Forschende und Investoren das Potenzial der mRNA-Technik erkannt. Einige bereits fortgeschrittene Forschungsprojekte zeigen auf, in welche Richtung es mit der mRNA-Technik gehen könnte:

mRNA gegen Grippe

Das grösste Potenzial sehen Fachleute in der Entwicklung von mRNA-Grippeimpfungen. Denn für Infektionskrankheiten wie die jährliche Grippe sind nur relativ einfache Proteinbaupläne nötig. Bei Moderna, das Unternehmen, welches eine mRNA-Impfung gegen das Coronavirus entwickelt hat, sind Studien zur mRNA-Impfung gegen Grippe bereits weit fortgeschritten. Der Vorteil: mRNA-Impfstoffe sind einfacher und rascher herzustellen als herkömmliche Grippeimpfstoffe, die zum Teil noch in Hühnereiern produziert werden. Möglicherweise ermöglicht die mRNA-Technik in Zukunft auch Impfungen gegen Viren, gegen die es bisher noch gar keine Impfungen gab, etwa RS-Viren, die im Herbst und Winter jeweils Erkältungen und teilweise Bronchitis bei Säuglingen und Kleinkindern auslösen.[9] [10] Die mRNA-Technik könnte aber nicht nur gegen Viren eingesetzt werden.

mRNA-Technik im Tiermodell erfolgreich gegen Multiple Sklerose

Biontech, das gleiche Unternehmen, das 2020 den ersten mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus auf den Markt brachte, hat die mRNA-Technik erstmals in Tierversuchen erfolgreich gegen die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) eingesetzt. MS ist eine Nervenkrankheit und tritt in Schüben auf. Bei Betroffenen bekämpft das Immunsystem die eigenen Nervenzellen, ihre Körper werden damit immer unbeweglicher.

Bisher gibt es keine Heilung von MS. Im Tiermodell gelang es den Forschenden nun, über die mRNA die Information ins Immunsystem der Tiere zu schleusen, sodass dieses die eigenen Nervenfasern nicht mehr bekämpft. Den Tieren ging es nach der Therapie bedeutend besser. Das Tiermodell entspricht jedoch nicht genau der hochkomplexen MS-Krankheit beim Menschen, daher sind solche Ergebnisse stets mit Vorsicht zu geniessen.

mRNA als «Impfung» gegen Krebs

Andere Unternehmen erforschen seit einigen Jahren die mRNA-Technik in der Krebsmedizin. Gleich wie beim mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus soll dabei das Immunsystem dazu gebracht werden, selbst Antikörper gegen Proteine herzustellen, die in einem Tumor vorkommen. Das Grundprinzip der mRNA-Technik in der Krebsmedizin funktioniert also ganz ähnlich wie bei der mRNA-Impfung gegen das Coronavirus. Daher auch der Ausdruck: «Impfen gegen Krebs».

Dabei gibt es aber einen entscheidenden Unterschied: Anders als das Coronavirus, das als Fremdling in den Körper eindringt, bestehen Tumore aus körpereigenen Zellen, deren Wachstum aus dem Ruder gelaufen ist. Das menschliche Immunsystem ist jedoch darauf programmiert, fremde Zellen zu attackieren. Bei der mRNA-Technik gegen Krebs besteht also die Herausforderung, den Immunzellen klarzumachen, dass sie diese schädlichen Krebszellen bekämpfen sollen, obwohl es sich um körpereigene Zellen handelt.

Um diese «Krebsimpfung» herzustellen, müssen Forschende untersuchen, anhand welcher Merkmale an der Zelloberfläche sich Tumorzellen erkennen lassen. Mit diesem Wissen stellen sie dann im Labor die mRNA mit den «Bauplänen» für die Herstellung von Oberflächenproteinen der Tumorzellen her. Massgeschneidert für jeden Patienten. Denn diese Merkmale unterscheiden sich von Tumor zu Tumor und von Mensch zu Mensch.[11]

Diese mRNA-Therapien testen Forschende aktuell in verschiedenen Studien gegen eine Vielzahl von Tumoren wie Haut-, Nieren-, Lungen- oder Prostatakrebs. In diesen Tests erhalten Krebspatientinnen und -patienten die mRNA des Tumorzellproteins als Spritze unter die Haut oder in den Muskel verabreicht. Einmal im Körper, nimmt eine Zelle die mRNA auf und stellt das Protein der Tumorzelle her. Befördert nun die Zelle das Protein nach draussen, an die Zelloberfläche, wird das Immunsystem aktiv: Spezielle Immunzellen nehmen die Proteine auf und präsentieren Teile davon den sogenannten T-Helferzellen. So lernt das Immunsystem den «Feind» kennen und aktiviert weitere sogenannte T-Zellen, die dann die Tumorzelle zerstören.

Was aber genau im Körper geschieht, ist noch nicht in allen Einzelheiten erforscht. Dafür sind noch viele weitere Tests nötig. Die Hoffnung ist, dass diese individualisierte mRNA-Therapie zielgenauer ist und weniger Nebenwirkungen verursacht als bisherige Therapien.

Wie lange es jedoch dauern wird, bis erste mRNA-Therapien gegen Krebs die Zulassung erhalten, ist völlig offen. Fachleute warnen heute vor zu viel Euphorie. Die erfolgreiche mRNA-Impfung gegen das Coronavirus haben der mRNA-Technik aber auf jeden Fall kräftigen Schub verliehen.[12]


[9] https://www.aargauerzeitung.ch/leben/mrna-covid-19-grippe-und-bald-auch-malaria-die-neue-impftechnik-als-allzweckmittel-ld.2180186
[10] https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/rsv.html
[11] https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2021/01/17/therapeutische_impfung_mrna_gegen_krebs_dlf_20210117_1630_70a0ee1f.mp3
[12] https://www.geo.de/wissen/gesundheit/23894-rtkl-forschung-mrna-impfung-gegen-krebs-wie-weit-ist-der-ansatz